Spiel für dich, nur für dich
 

Illustration “BE BOLD: Spiel für dich allein”: Elisabeth Deim

Ich habe in den letzten Wochen Anne Lamotts „Bird by Bird – Some Instructions on Writing and Life“ gelesen. In einem Kapitel des Buches beschreibt sie einen Radiosender, den die meisten Kreativen wohl hören.

Ich höre ihn immer dann, wenn die leere Zeichenfläche von Adobe Illustrator wie ein Zyklop auf mich zurück starrt.

Das wird doch eh nichts, berichtet der Sender im Hintergrund, du hast doch gar keinen Plan, was ist mit den anderen drei Millionen Papierkorbproduktionen?, du verschwendest hier nur deine Zeit. Und plötzlich befürchte ich, mich schon mit dem ersten Strich als talentfreier Amateur zu entlarven.

Interessanterweise passiert das bloß bei den Projekten, bei denen ich nur mir selbst in der Jury gegenüber sitze. Und trotzdem fühlt es sich an, wie als müsste ich ein selbstgeschriebenes Gedichte vortragen. Ich bin gelähmt von dem Gedanken an den vielleicht nie eintreten werdenden, aber vor allem allein von mir selbst bestimmten, über-übernächsten Schritt: der Veröffentlichung.

Was mir hilft, diese Starre zu lösen, ist eine dieser Anne Lammot „Instructions“, die man nicht nur fürs Leben und Schreiben nutzen kann, sondern für nahezu alles – auf jeden Fall aber fürs Anfangen:

“Be not afraid of your material. Be afraid of wasting any more time obsessing about how you look and how people see you. Be afraid of not getting your writing done.

Be afraid of not getting your writing done.

Be afraid of not getting your painting done.

Be afraid of not getting your illustration done.

Wie ein Mantra sage ich mir das vor, während der Zyklop in Adobe Illustrator mir zu blinzelt, und ich ihm einen fetten ersten Strich verpasse. Das sieht doch schon ganz gut aus, denke ich. Denkst du?, fragt das Radio im Hintergrund.

Anne Lamott sagt:

“You get your confidence and intuition back by trusting yourself by being militantly on your own side.”

Und:

Writing [und jeder andere kreative Schaffensprozess] is about hypnotizing yourself into believing in yourself, getting some work done, then unhypnotizing yourself and going over the material coldly.

Da mich schon das Mantra an meine Grenzen bringt, bevorzuge ich statt der Hypnose Danny Gregorys Vorschlag aus einem seiner E-Mail-Essays über Kreativität, um dieses verfluchte Radio loszuwerden:

“First off, make stuff for you, an audience of one. Make stuff that you will like. Work toward that goal.”

Und:

“...build a wall, a door in it between two parts of yourself. The maker and the judge. Close the door and make stuff. Then, when you have a whole bunch of it made, open the door and show the judge what you've got.  Only then.  Worst case, it's all just junk, in which case you can close the door and go back to playing.”


Nimm also nichts weiter mit auf den Spielplatz außer dir selbst und deine kreative Knetmasse. Stopf dir am besten ein bisschen davon in die Ohren, falls du das Radio immer noch hören solltest.

Und erst, wenn du all die Knete verwerkelt hast, rufst du dein Jury-Ich zurück und zeigst ihm dein Werk. Es wird danach nicht selten im Papierkorb landen oder als eine dieser ewig marmorierten Knetkugeln enden - aber niemals wird es nutzlos gewesen sein.

Sei mutig und spiele einfach drauf los - ohne Zweck, nur des Spielens wegen.


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