Media-Liste: Dezember 2021
 

Wir hören die hellen Rufe der Gänse, die vom Bergkessel im Osten widerhallen und lauter werden. “Eine perfekte Quarte!” sagt Bill erfreut. Er hört Landschaften auf eine Weise, wie ich sie noch nie bei jemanden erlebt habe, er sieht und hört sie als Musik.

Aus “Unterland” von Robert Macfarlane

So wie ein Musiker die Welt um sich als Musik wahrnimmt, bemerke ich bei mir selbst oft, dass ich sie in Farbflächen und Bildkompositionen sehe, ich erforsche unbewusste ihre Umsetzung. Filme sind deshalb für mich nicht nur erzählte Geschichten, sondern ein 90-minütiger Galeriebesuch bestehend aus knapp 130.000 Illustrationen.

FILME UND SERIEN

Moppi und der Leckerladen (Folge 4-7)
Wow, ich platze gleich. Nicht nur weil Weihnachten war und Moppi gemeinsam mit Maya Monsterpesto (!!!), Suppe aus dem Ofen, Brot aus dem Topf (!!!) und Pürree vom Mars aufgetischt hat, sondern weil ich so stolz auf dieses Projekt und meine Illustration für das Intro bin. Eigentlich bin ich sehr bescheiden und prahle nie, aber hier kann ich einfach nicht damit aufhören zu sagen: Ich bin im Fernsehen - gewesen. Am 18.12.2021 fuhr Moppi nun aber zum vorerst letzten mal in meiner Suppenkellenseilbahn hoch zum Leckerladen.


Masel Tov Cocktail von Arkadij Khaet
Es ist ewig her, dass ich bei einem Short-Attacks-Kurzfilmabend war. Wieviel mir dadurch entgeht, habe ich gemerkt, als ich auf Dimitri zappte, den “Masel Tov Cocktail” aus dem Ruhrpott. Ein sympathischer junger Mann, der überlegen grinsend gesellschaftliche Probleme vermittelt und ihnen ganz entschlossen und wortwörtlich entgegentritt.

Eine sich lohnenende Absicht für das neue Jahr: einfach mal öfter das Kurzfilmprogramm auf ARD & Co. oder arte sichten.


Der Rausch von Thomas Vinterberg
Es gibt eine Menge Filme über Alkoholkonsum. Die meisten sind schwer moralisch, andere eher unmoralisch. Vinterbergs Rausch ist nichts von beidem. Er ist einfach nur eine faszinierende visuelle Schilderung über ein gesellschaftlich anerkanntes Suchtmittel am Beispiel einer Studie unter Freunden von 0,5 Promille zum Vollrausch - frei von jeder Moralpredigt und persönlicher Bewertung mit ein bisschen Mamma Mia und Mads Mikkelsen! Jeder wird sich hier selbst wiederfinden und zwar immer dann, wenn er betroffen lacht. Dieses entklemmte Lachen können skandinavische Filmemacher ganz besonders gut erzeugen, mit ihrem ehrlichen Blick auf den tragischen Witz unseres Verhaltens.


Das Fest von Thomas Vinterberg
Auf dem Fest, was Tomas Vinterberg gibt, wird gelacht und getanzt. Auch dann noch als ein unverdaulicher Toast auf den Gastgeber ausgesprochen wird. Ich muss würgen. Alle anderen singen ihn munter unter den Tisch. Ich muss lachen, wie lächerlich sie dabei wirken. Da ist er also wieder, dieser ehrlich tragisch witzige Moment des Skandinavischen Kinos. Ich fühle mich den ganzen Film über wie als wäre ich dort unten, unter dem Tisch, eingeklemmt zwischen den Schutzmechanismen einer Familie. Vielleicht liegt das am Dogma 95 Manifest, nach dessen Regeln Vinterberg sein Fest verfilmt hat. Wackelige Handkamera, kein Soundtrack, uninszenierte Sets - Homevideo-Style.


The Dead Don’t Die von Jim Jarmusch
Vor einigen Jahren sah ich “Paterson” und war ganz fasziniert von der leisen Komik, mit der Jim Jarmusch von dem poetischen Busfahrer erzählt. Wenn so einer dann einen Zombieapokalypsenfilm macht, bedeutet das, dass Adam Driver, den ich schon in “Paterson” ins Herz geschlossen hatte, Bill Murray und Tilda Swinton in einer Arschruhe konsumgeile Untote “jagen”, die durch Polar-Fracking und deren Auswirkungen auf die Erdachse wachgerüttelten wurden. “Das nimmt kein Gutes Ende” sagt Adam Driver immer wieder. Und er weiß, wovon er spricht.

Highlight für mich: Sturgill Simpson [Make Art Not Friends], meine größte musikalische Entdeckung des letzten Jahres, singt den Soundtrack wieder und wieder, egal wie genervt Bill Murray davon ist. Ein urkomischer und ganz besonderer Film, der sich auf etwas andere Art und Weise mit unserer Konsumsucht auseinandersetzt.


Promising Young Woman von Emerald Fennel
Ich habe mich ziemlich lang um diesen Film herumgedrückt, obwohl er mir von allen Seiten empfohlen wurde. Das Thema ist heikel und nicht gerade das, was man sich für einen unterhaltsamen Filmabend aussucht. Und dann schob sich der Abspann ins Bild und ich hätte am liebsten noch einmal von vorn begonnen, jedoch unterbrochen von intensiven Studienexkursionen in jeder Einstellung, um die so phänomenale Szenengestaltung aufzusaugen. Dass dieser Film gerade erst das Regie- und Drehbuchdebüt von Emerald Fennell ist, freut mich enorm.


ALLES TRICK - DEFA-Trickfilme:
Weihnachtsgans Auguste, Hirsch Heinrich, Die gestohlene Nase, Bootsmann auf Scholle, Spuren im Schnee

Dass diese DVD einen Tag vor Weihnachten in der Videothek noch nicht verliehen war, ist verblüffend - aber gut für mich. Sie gehört fortan zum festen Weihnachtsprogramm. Vergleiche ich die fünf Legetrick- und Puppentrickanimationen der DEFA Studios mit dem, was deutsche Animationsstudios aktuell produzieren, macht es mich ein wenig traurig, dass diese Branche zumindest in Deutschland scheinbar nur noch Filmarbeit statt Filmkunst ist. Diese Filmchen hier sind alle so großartig erzählt und getimed, manche Hintergrundbilder erinnern mich an die konkurrenzlosen Layouts der Looney-Tunes-Schmiede.


BÜCHER

Im Unterland von Robert Macfarlane (S. 296/499)
Die Landschaft der Julischen Alpen hat sich für meine Augen so verändert, dass selbst diese poetischen Beschreibungen, die Robert Macfarlane für Landschaften nutzt, sich manchmal nur ganz schwach über das legen, was der “Guide” nebenbei erzählt. Da geht das “Ehr” der Ehrfurcht in mir fast verloren. Diese Landschaft wurde in etlichen Kriegen immer wieder zum Werkzeug des Bösen: Versteck, Lager, Hinrichtungsstätte. Wie kann man etwas so atemberaubend Schönes für etwas so Hässliches missbrauchen?


Bird by Bird von Anne Lamott (Komplett)
Anne Lamotts “Bird by Bird” kommt mit dem Untertitel “Some Instructions on Writing and Life”. Ich wollte damit vor allem mein Liebe zum Schreiben pflegen und weiterentwickeln. Was dem Buch aber noch viel mehr gelungen ist: mich als Person weiterzuentwickeln mit einer Auswirkung auf beinahe alle Lebensbereiche. Ich hätte auch nicht erwartet, oder habe es zumindest nicht in Betracht gezogen, dass Schreiben und Illustrieren UND Leben so ähnlich sind. Im Grunde geht es aber tatsächlich immer um eins: Entscheidungen treffen und sie angehen.

Ich finde, dieses Buch lohnt sich für jeden - allein schon wegen Anne Lamotts Anekdoten und ihrem unglaublichen Gespür für Komik. Ich weiß nicht, ob es das beste Buch über das Schreiben ist, sowie es die Kritiker bezeichnen, dafür fehlt mir der Vergleich. Für mich ist es auf jeden Fall der am schönsten zu lesende Ratgeber, weil er nicht mit Zitaten die Empfehlungen Anderer sammelt, sondern es Anne Lamotts ganz persönliche Erzählungen sind, die man am Ende in seinem Werkzeugkoffer hat.


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