Mit wütenden Grüßen - von einer Postkarte, die den Wald retten will

 
Hörst du die Berge husten? / Illustration: Elisabeth Deim

Hörst du die Berge husten? / Illustration: Elisabeth Deim

Manchmal hat man es einfach satt! Das Gute an diesem Zustand ist, dass „satt“ gleichzeitig auch bedeutet, dass man ziemlich energiegeladen ist. Nun hat man also die Wahl. Man kann sich aufregen, schmollen und die Energiesättigung damit noch erhöhen – aber Vorsicht: das kann schnell in Erschöpfung enden. Oder aber, man braucht diese Wutkalorien einfach auf, indem man sie einmal um den Block jagt – oder noch besser: auf den Block, und zwar auf den Zeichenblock!

Der kreativen Arbeit tut es nämlich oft ganz gut, wenn man dabei ein bisschen wütend ist und ich möchte behaupten, dass das viele Illustratoren und Künstler im Allgemeinen so sehen. Ein emotionaler Reizzustand treibt an, während die pure Glückseligkeit ähnlich lähmend ist wie ein blauer Himmel mit Windstille.

Zu meinem Glück, werde ich recht schnell wütend. Kinder auf dem Trampolin im Innenhof reichen da schon aus. Wumms, Wumms, Wumms...dieses Geräusch. Vor einigen Wochen war es aber etwas ganz Anderes, was mich wütend gemacht hat.

Ich war erschöpft und frustriert von den Auswirkungen der Corona-Pandemie auf meine Arbeit als Illustratorin und wütend auf die Corono-Hilfen, die an Solo-Selbstständigen bekanntermaßen gänzlich vorbeigingen. Ich beschloss mir einen Tag frei zu nehmen, um in der Fels- und Waldlandschaft meiner geliebten Sächsischen Schweiz etwas (positive) Energie zu tanken.

Foto - Wanderung zum Winterstein - Sächsische Schweiz - Elisabeth Deim

Man muss dazu sagen, dass ich das große Glück hatte, inmitten dieses wirklich zauberhaften Nationalparks aufzuwachsen. Vergleiche ich die Bilder in meiner Erinnerung mit dem, was ich heute sehe, fällt mir also schnell auf, wie sich hier alles verändert hat und vor allem mit welcher Geschwindigkeit. In null Komma nichts hat zum Beispiel der Borkenkäfer mit seiner gesamten buckligen Verwandtschaft meinen Heimatwald so ziemlich aufgefressen. Saubere Leistung, liebe Waldwirtschaft, und besten Dank für ein paar mehr dieser wütenden Energiebomben, die ich nun bei jedem Besuch zurück mit in die Stadt nehme.

Dieser „natürliche“ Kahlschlag hält das nächste Übel aber nicht davon ab, den Nationalpark zu überrollen. Viel los war hier ja schon immer, aber die Idylle hatte trotzdem immer noch genug Platz. Bei meinem letzten Besuch, schien es mir so, als wäre die Situation nun gekippt. Was die bibbernde Tourismusbranche in dieser ungewöhnlichen Saison freut, lässt die Natur leiden.

Auf dem einzigen Zeltplatz im Kirnitzschtal schien es mir nämlich ganz und gar nicht idyllisch. Wo früher 90% Zelte standen, stehen heute 98% Wohnmobil-Familien-Vans von Menschen, die Trends sehr schätzen, Umweltschutz hingegen kaum. Diese Blechlawine schlängelt sich so weiter durchs Tal. Nicht als Stau, sondern in Form einer Parkkolonne am Randstreifen. Überall da, wo nicht geparkt werden darf, wird nun geparkt – inmitten des Nationalparks. Nicht nur mein Wutlevel ist so langsam wirklich gesättigt, sondern ganz offensichtlich auch die Kapazitäten der Parkplätze im Kirnitzschtal.

„Dabei muss hier eigentlich überhaupt gar niemand parken“ dachte ich mir so, als ich dann endlich hoch oben auf meinem Wanderweg marschierte und unten die Straße beobachtete. Es fährt nämlich ein Bus, ja, sogar eine Straßenbahn fährt hier. Es ist einfacher vom Dresdner Hauptbahnhof mit den öffentlichen Verkehrsmitteln einen Wanderweg im Kirnitzschtal zu erreichen, als innerhalb von Dresden von A nach B zu kommen. Aber scheinbar weiß keiner etwas davon.

Dann ist es passiert. Wutkalorienkommando „Corona-Pandemie“ traf auf Wutkalorienkommando „Nationalpark-Dilemma“. Es kam zu einem intensiven Austausch, aus welchem sich eine verdammt gute Idee entwickelte. So ist das eben, wenn Minus auf Minus trifft. Dann wird daraus Plus. Und so sprach der frisch beschlossene Creative Director der Wutkalorien: „Mach doch Postkarten, die für dich und die Nutzung der öffentlichen Verkehrsmittel im Nationalpark Werbung machen!“.

Vor einigen Jahren habe ich schon mal Postkarten verteilt. Damals als Promoaktion mit Illustrationen, die mir besonders gut als Arbeitsprobe erschienen, vorne drauf und hinten adressiert an ausgewählte Werbeagenturen und Verlage. Die Resonanz war ähnlich groß wie bei allen Kaltakquiseaktionen. Ich habe es dann sein gelassen, weil es gegen meine Prinzipien verstößt, viele Ressourcen in ein nutzloses Produkt zu stecken. Bei der Aktion „Rette den Wald“ sollte und musste alles anders werden.

Die Postkarte musste so viele Nutzen haben, dass sie unter gar keinen Umständen einfach im Müll landet. Sie sollte ansprechend sein, unterhalten, informieren, zum Handeln anregen und im besten Fall weiterverbreitet werden. Aber zumindest sollte sie auffallen und zum Nachdenken anregen.

Schon während meiner Wutwanderung, wusste ich genau, welche Form für diese Aktion am besten geeignet ist. Seit Längerem, hatte ich vor, ein Thema in der Art eines WPA-Posters umzusetzen und nun endlich war es soweit. Der Charakter dieser handgemalten Plakate aus den 70ern mit ihrer direkten Ansprache war perfekt für meine Aktion. Ziel war es also, ein prägnantes und etwas provokatives Motiv als Illustration zu entwerfen und einen knackig formulierten Aufruf dem gegenüberzustellen. Gesagt, getan.

Illustration - Postkarte “Mit Bus und Bahn durchs Kirnitzschtal” Vorderseite - Elisabeth Deim

Wie erwartet, tat der Retro-Look durch die groben Kanten dem Thema und dem Motiv mehr als gut. Und der Spruch deckte auch alles ab. Selbst die, die sich für die Natur überhaupt nicht interessieren, bekommen den Hinweis, dass auch das egoistische Ziel zur Absenkung des eigenen Stresslevels davon profitiert. Aber bis jetzt war diese Postkarte immer noch noch nutzlos und rein dekorativ. Gut gebrüllt, Löwe, und nun?

Jetzt drehst du die Karte um und informierst dich darüber, welcher Bus und welche Bahn dich das nächste Mal zu deinem Wanderweg bringt. Das alles steht nämlich auf der Rückseite und gegenüber davon lacht dir der Berg ohne Rauchwolke von einer illustrierten Briefmarke entgegen, die dazu einlädt, die Informationen zu teilen und jemanden zu schicken, der demnächst vielleicht auch die Sächsische Schweiz besucht.

Illustration - Postkarte “Mit Bus und Bahn durchs Kirnitzschtal” Rückseite - Elisabeth Deim

Und so habe ich die Wut auf eine Sache dafür genutzt, um dafür zu sorgen, dass ich vielleicht nicht mehr wütend werden muss darüber.

Die Postkarten besteht aus zu 100% Recyclingpapier hergestellten Chromosulfatkarton und wurde klimaneutral gedruckt. Verteilt wird Sie auf kleinen Touren durch die Region an Läden, Lokale, Touristzentren und mehr.

Unterstützen Sie mich bei dieser Aktion!

Bestellen Sie das Postkarten-Set “Mit Bus und Bahn durchs Kirnitzschtal” und legen Sie sie in Ihrem Laden, Ferienhaus, Lokal oder Ihrer Pension aus, um diese Aktion zu unterstützen und den Autoverkehr im Kirnitzschtal zu reduzieren.

Postkarte “Mit Bus und Bahn durchs Kirnitzschtal” - Gestaltung und Illustration von Elisabeth Deim

Lektüre-Tipps zum Thema

“Große Karte der Sächsischen Schweiz”, 1 : 30.000, regenfest von Ralf Böhm, neu bearbeitete Ausgabe von 2013

Die liebevoll handgezeichneten Wanderkarten von Rolf Böhm sollten auf keiner Wanderung durch die Sächsische Schweiz fehlen.

“Man wird doch wohl mal wütend werden dürfen”, Toon Tellegen (Autor), Marc Boutavant (Illustrator), übersetzt von Mirjam Pressler, erschienen im Carl Hanser Verlag, 2015

Begleitet von den wundervollen Illustrationen des Illustrators Marc Boutavant erzählt Toon Tellegen zwölf packende Geschichten über die Wut.


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